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"Brief aus Mogi"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Liebe Freunde!

Ich möchte euch ein bisschen von dem, was wir hier täglich erleben, erzählen. Von unserem einfachen Leben und von den Wundern, die Gott darin vollbringt. Umso mehr ich voran gehe, desto mehr realisiere ich, dass ich diese Gnade Gottes, das Privileg, dem „Reich Gottes“ dienen zu dürfen, wirklich nicht verdiene. Je weiter ich gehe, oder besser gesagt, versuche zu gehen, desto mehr werde ich mir meiner Armut, meinem Kleinsein und meiner Unglaubwürdigkeit bewusst…, aber ich danke jeden Tag Jesus und Maria, die immer präsenter und lebendiger in meinem Leben werden. Das gibt mir die Kraft und die Freude mich zu akzeptieren, mich anzunehmen wie ich bin und mich gern zu haben; bevor ich dann versuche alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen gern zu haben, die mit mir zusammen leben, und alle, denen ich jeden Tag begegne.

Mein Gott, wie oft bemerke ich täglich meine Fehler, dass ich untreu, egoistisch, stolz bin, wirklich oft - und dann beginne ich von vorne, gehe kurz in die Kapelle, bitte um Vergebung und um die Kraft neu zu beginnen. Wie schön ist es „von vorne anzufangen“! Während ich schreibe, kommt mir das berühmte Lied von Gen Rosso in den Kopf: „wieder von vorne beginnen ist fühlen, dass auch im Schmerz die Seele singen kann und nie aufhören will…!“.

In diesen Tagen erleben wir sehr tiefe und starke Momente, sowohl im Schmerz als auch im Trost und in der Freude. Es sind Momente, die verbunden sind mit den „Emotionen“ und erlebten Erfahrungen unserer Kinder und Jugendlichen. Allmählich beginnen sie als Heranwachsende die Tragweite ihrer Leiden besser zu verstehen. Die Dinge, die sie erlebt haben, die Verbannung, das Elend, den Missbrauch…die Schläge. Sie sehen Kinder, die von ihren Eltern zur Schule gebracht werden, einige von ihnen bekommen Briefe von ihren Eltern, die im Gefängnis sind, andere erleben das wahre Elterndasein - und so werden wieder Wunden geöffnet, kommen dunkle Erinnerungen an das Erlittene ans Tageslicht - beginnend bei dem Moment als sie noch im Bauch ihrer Mutter waren.

Abgesehen von diesen großen Qualen dachte ich in diesen Tagen an ein Leid, das am Anfang wesentlich kleiner erscheint, aber… ein Kind, dass vom Fahrrad fällt und sich weh tut… läuft instinktiv zu seiner Mutter um Trost zu suchen, ein anderes, dass eine schlechte Note in der Schule erhalten hat oder ein Bursche, der entdeckt, dass ein bestimmtes Mädchen, die „Liebe“ seines Lebens, von seinem Schulkollegen umarmt wird… zu wem geht er um darüber zu sprechen? Wo sind sein Vater und seine Mutter? Sie sind nicht da! Und nun erlebt jeder das Drama auf seine Art und Weise… Einige beginnen verrückt zu spielen, schreien, leben ihren Zorn in verschiedenen Varianten aus, klettern auf Bäume oder verstecken sich unter ihren Betten…andere wiederum, die mit uns seit Jahren hier leben, suchen die einzigen Personen die stets in ihrer Nähe leben - und da kommen wir ins Spiel. Sie vertrauen uns, kommen zu uns, um mit uns zu reden, um Rat oder Trost zu bekommen oder um einfach jemanden zum Zuhören zu finden (was genauso wertvoll ist).

Ich erbitte ständig die Hilfe von Jesus und Maria, um dieser großen Verantwortung würdig zu sein, nicht zu enttäuschen, glaubwürdig und ehrlich zu sein (wir erziehen mit dem wahren  Leben und nicht mit Standpauken). Die Gemeinschaft und Mutter Elvira haben uns beigebracht, dass am Ende die wahren Antworten, den einzigen wahren Trost nur Einer geben kann: Jesus. Und so versuchen wir unsere Anliegen zu ihm zu bringen, aber es ist manchmal ein langer und beschwerlicher Weg.

In der Zwischenzeit erleben wir mit ihnen gemeinsam alle Dramen der Verlassenheit, des Waisendaseins und die Tatsache, dass sie keine Eltern an ihrer Seite haben, die sie umarmen, hätscheln, die da sind, wenn sie sie brauchen, im Grunde sind es Kinder von zwei, drei, vier, fünf, acht Jahren!!Und sie benötigen wirklich Eltern!

In diesen Tagen ist Denise, eine Jugendliche, bei uns, die sich von den Strapazen der Notoperation eines stark entzündeten lebensbedrohlichen Blinddarms erholt. Wir Erwachsene im Haus haben beschlossen, sie mit einer nächtlichen Anbetung zu unterstützen. So bin ich um zwei Uhr morgens aufgestanden und in die Kapelle gegangen. Meine Überraschung war riesig, als ich die Kapelle voll mit Kindern und Jugendlichen vorfand! Es war zwei Uhr morgens!! Und sie waren dort, im Pyjama, auf Knien betend, singend und um die Heilung ihrer Schwester Denise bittend. Man musste die Gebete dieser Kinder hören, ich hätte sie aufnehmen sollen, aber ich bin sicher sie sind im Herzen Gottes angekommen.

Ich habe sofort dem Herrn gedankt und daran gedacht wiewunderbar „unsere Familie“ ist, wie viele wahre Freude Denise hat, wie viele Freunde, die uns wirklich gern haben, haben wir alle, die wir zur Cenacolo-Familie gehören und wie viele echte Freunde hat jeder, der zur großen Familie der Kirche gehört. Viel mehr Freunde als in einer bloß „biologischen“ Familie!

Zurzeit spürt man in Brasilien sehr viel Misstrauen, Zorn und Enttäuschung. Die Weltmeisterschaft hat die Wunden und den Jammer der brasilianischen Realität von Millionen Armen wieder geöffnet. Sie fühlen sich auf den Arm genommen, haben viel gearbeitet und Millionen wurden ausgegeben, um die Stadien und die nötige Infrastruktur für viele Touristen zu schaffen. Und jetzt müssen sie, die Armen (und das sind sehr viele, der größere Teil der Bevölkerung) monatelang für einen Arztbesuch anstehen, sie sterben auf den Gängen der Krankenhäuser und die staatlichen Schulen sind schlecht. Man verzeichnet einen enormen Anstieg an Überfällen, Entführungen, Morden und Drogenkonsum und die Korruption steigt immer mehr an und wird eine ganz „normale“ Sache.

Wir bemerken das auch in unserem Umfeld, weil es immer mehr Kinder - auch neugeborene – gibt, die aufgenommen werden müssen. Ihre Eltern wurden ermordet, sind im Gefängnis oder die Kinder wurden ausgesetzt, weil die Eltern nicht mehr wussten, wie es weitergehen konnte.

Es ist jedoch nicht meine Absicht politische Propaganda zu betreiben, sondern ich möchte dem Herrn danken, dass er mich auserwählt hat, um in seinem Reich zu arbeiten. Ich möchte damit schließen Gott zu danken für meine wundervolle Frau Paola, die mich seit 20 Jahren bei diesem schönen Abenteuer begleitet. Ich danke Gott für die 14 Kinder, die er uns geschenkt hat.

Zurzeit sind die beiden größeren (Francesco und Stefano) in Italien und es hat mich sehr gefreut mit meinen Eltern zu telefonieren, die mir erzählten, wie beeindruckt sie von ihrer Güte und Großzügigkeit waren. Meine Mutter erzählte mir ergriffen, dass sie in der Früh meinem Vater die Socken anziehen (er schafft es nicht mehr alleine), ihm beim Anziehen helfen und das Frühstück zubereiten.

Meine Mutter hat Francesco eines frühen Morgens mit dem Handy  „erwischt“ und als sie näher heranging um zu sehen, was er machte, hat sie entdeckt, dass er das Tagesevangelium las. Das hat auch mich bewegt und mit Paola gemeinsam habe ich Jesus und Maria gedankt. Ich komme auf den Beginn meines Briefes zurück als ich sagte, dass ich all das nicht verdiene, aber mein Glück ist es, dass Gott unendlich gut und barmherzig mit mir ist! Ich nutze die Gelegenheit euch mitzuteilen, dass Frederico am 4. August ins Krankenhaus kommt und am 5. August am Herzen operiert wird.

Eine herzliche Umarmung,

Maurizio

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