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Predigt von Padre Pino Isoardi

Predigt von Padre Pino Isoardi
(Hosea 11,1.3-4. 8-9; Matthäus 9,35-10,1; 10,7-10)

Bevor wir damit beginnen, zwei Lichter des Wortes Gottes näher zu betrachten, möchte ich euch die ganze Zuneigung der Gemeinschaft “Città dei Ragazzi”, die Grüsse von Padre Andrea Gasparino, unsere Gebete und unsere Freude über euer Fest überbringen.

Jedes Jahr fällt euer Fest genau mit dem Beginn unserer 40tägigen Zeit des Rückzuges zusammen: auch dieses Jahr haben sich zwanzig Brüder und Schwestern in die Berge zurückgezogen, und ich bin auch von dort hierher gekommen. Wir denken immer mit viel Zuneigung an euch, und in diesem Jahr ganz besonders. Wir möchten euch dabei zur Seite stehen, in den kommenden Tagen für diese 25 Jahre der Wunder zu danken- Wunder, die man nicht zählen kann. Ich glaube, es bedürfe vieler Menschen, um für all das zu danken, zu danken und nochmals zu danken.

Unsere Gemeinschaft hatte die Freude, das Cenacolo genau hier auf dieser Anhöhe vor 25 Jahren entstehen zu sehen. Dies ist eine wahrhaft grosse Freude, wenn man bedenkt, dass hier anfangs alles sehr wild aussah. Mit Liebe und Mut zur Opferbereitschaft wurde jedoch alles verändert. Ich erinnere mich noch daran, wie Schwester Elvira damals mit zwei anderen Schwestern und ein paar Jungs angefangen hat. Wir trafen uns zu jener Zeit zwei Mal im Jahr, um uns auf familiärer Basis auszutauschen. Jetzt seid ihr sehr gewachsen und es ist schwieriger geworden, uns zu treffen. Als ich diese Predigt vorbereitete, ist mir ein Gedanke in den Sinn gekommen, der mich bewegt hat. Seit einigen Jahren nennt ihr Schwester Elvira Mutter Elvira, und es ist sehr schön, dass sie liebevoll so genannt wird. Denn in den letzten 25 Jahren ist sie dank der Gnade Gottes und der Vorsehung zur Mutter von Hunderten, ja Tausenden von euch geworden.

Überlegt einmal, welch grossartige Mutterschaft dies ist! Wie durch Gott die Mutterschaft ausgeweitet und zu einer wirklichen und greifbaren Mutterschaft wird. Denn durch die Liebe Gottes hat Elvira vielen von euch das Leben gegeben. Ich glaube, dass uns allen der Geist auf diese Weise etwas mit auf den Weg geben will: Gott möchte nicht, dass wir unfruchtbar sind; er erschafft niemanden, damit er in Unfruchtbarkeit, also im Egoismus lebt. Die Berufung eines Jeden von uns ist die Berufung zum Leben. Und wenn ein Leben wahr ist, dann ist es durch Liebe erfüllt und wird fruchtbar. Jeder von uns Männern wird eines Tages Vater, denn wenn du liebst, kümmerst du dich um andere Menschen, deine Vaterschaft kommt zum Vorschein und du reifst als Mann. Jede von euch Mädchen und Frauen, die ihr für jemand anderen sorgt, ob es eure Kinder sind oder nicht, seid irgendwann nicht mehr nur Schwestern, sondern Mütter. Wenn man Mutter ist, ist man wahrhaftig Frau, und wenn man Vater ist, wird man wirklich zu einem Mann Gottes.

Mir scheint, dass Schwester Elvira genau diese Botschaft verkünden will. Ich lade euch dazu ein, in dieser Heiligen Messe für all das zu danken, was der Herr in ihr vollbracht hat und ihr ein aufrichtiges Danke für ihr „Ja“ zur Mutterschaft zu sagen: jede Mutterschaft ist eine Freude, doch auch ein Opfer.

Kommen wir zum Wort Gottes.

Die Vorsehung hat es so gewollt, dass die Liturgie uns gerade heute diese wunderbare Seite aus Hosea schenkt. Ich hoffe, dass ihr mit offenem Herzen die grossartigen und zarten Worte dieses Propheten gehört habt. „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn aus Ägypten“. Der Prophet hilft in diesem Moment dem Volk, sich an die Ereignisse von vor 500 Jahren zu erinnern, als Gott das Volk, welches lediglich eine Gruppe von zerstreuten Stämmen war, von der Sklaverei befreite, es aus den Händen Ägyptens entriss und es mit der aussergewöhnlichen Sorgfalt eines Vaters und einer Mutter in die Wüste begleitete.

“Ich neigte mich zu ihm und gab ihm zu essen, ich hob ihn an meine Wange…”, auch Liebkosungen, denn Gott weiss, wann wir sie brauchen; er ernährt es mit der Manna. Er dürstet das Volk mit Wasser aus dem Felsen, er verteidigt es vor Gefahren, er begleitet es Schritt für Schritt ins versprochene Land. Warum lässt der Prophet diese Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten wieder aufleben? Damit das Volk zur Treue zurückgelangt, welche es durch seine unachtsame Zerstreuung verloren hat. Es verrät seinen Gott durch Ungerechtigkeiten, verleugnet seinen Gott durch Untreue, durch die Anbetung anderer Götter. Und was tut der Prophet, um das Volk auf den rechten Weg zurück zu bringen? In diesem Moment droht er dem Volk nicht, sondern hilft ihm, sich der Liebe zu erinnern, die es als Volk wieder aufleben lassen hat. Erinnerung als eine heilige Unternehmung: erinnern um zu danken, um die Treue zurück zu gewinnen.

Dies gilt auch für uns. Wenn wir die Liebe Gottes vergessen, dann befinden wir uns schon auf einem gefahrenreichen Boden, der zum Verrat führen kann. Der Prophet spricht auch zu uns: „Erinnere dich der Liebe, vergiss nicht die Liebe, die dir das Licht der Welt gegeben hat, dich geformt hat und dich in diesem Augenblick stützt.“ Ich möchte euch dazu aufrufen, dies immer zu tun, wenn ihr bemerkt, dass ihr mittelmässig seid, wenn ihr euch am Rand der Versuchung befindet. Es gibt nicht Besseres, als sich in diesen Momenten an die Liebe Gottes zu erinnern, denn sie ist es, die die Macht hat, uns dem Bösen zu entreissen und auch von uns selbst, um wieder auf den Weg der Treue zu gelangen.

Es ist wunderbar, dass ihr jedes Jahr fast eine Woche der Danksagung, der Erinnerung und des Festes widmet, um der Geburt der Gemeinschaft Cenacolo zu gedenken. Dies ist die beste Medizin, um Gott treu zu bleiben, um ihn nicht zu verraten. Und ich hoffe, dass dieses Fest noch in tausend Jahren von denen, die nach euch kommen, gefeiert wird. Doch ich glaube, dass ihr euch nicht nur in diesen Tagen erinnert, sondern dass euch der Heilige Geist wunderbare Werkzeuge gegeben hat, um nicht zu vergessen und stets zu danken: die Zeugnisse zum Beispiel, die in eurer Gemeinschaft immer sehr lebendig sind. Was stellen sie dar? Sie sind ein weises Mittel, um sich der Liebe Gottes zu erinnern und diese nicht zu vergessen.

Doch ihr habt das ganze Jahr über noch ein viel grösseres Mittel: in euren Häusern besitzt ihr den wertvollen Schatz der Eucharistie, und ihr wisst, dass “Eucharistie” danken bedeutet. Ich wünsche euch, dass die Stunden der Stille, die ihr auf Knien vor dem Allerheiligsten verbringt, immer mit einem Dank verbunden sind, mit einer Erinnerung an die Liebe Gottes in euren Leben. Vergesst nicht, dass euch die Liebe immer wieder auferstehen lässt.

Ich erlaube mir, euch in den kommenden Tagen des Festes mit dieser Botschaft zu begleiten, besonders auch euch Familien, wenn ihr wieder daheim seid: nehmt euch jeden Tag Zeit, um zu danken. Die Wohltaten Gottes sind so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Und wie oft treten wir den Gaben Gottes gleichgültig gegenüber! Wir haben sogar den Mut, uns zu beklagen! Versuchen wir in jenen Momenten, innezuhalten und zu danken. Es gibt immer Gründe für einen Dank, immer!

Aus dem Evangelium möchte ich lediglich ein Wort betonen: “Mitleid”. Wie ihr wisst, bedeutet dieses Wort eine Liebe, die auch gemeinsam mit einem anderen zu leiden weiss. Im Evangelium haben wir auch gehört, dass Jesus Mitleid mit der Menge empfand, als die müde war und wie Schafe ohne Hirte umherging. Was für ein zeitgemässes Wort, als wäre es heute morgen geschrieben worden. Auch heute gibt es Unmengen von jungen Leuten, von Erwachsenen und älteren Menschen, die erschöpft sind. Sie sind erschöpft, weil sie ohne Hirte sind oder besser, weil sie sich falschen Hirten anvertrauen, die falsche Weiden versprechen. Ich nenne euch eine, die wohl alle in sich zusammenfasst: das Konsumdenken- eine Weide, die Verwirrung, Einsamkeit, Leere und Sinnlosigkeit beherbergt.

Wenn ich eure Zeugnisse lese- erst diese Woche habe ich einige in eurer Zeitung „Auferstehung“ gelesen-, dann fällt mir immer wieder eine Gemeinsamkeit auf: als ihr noch im Dunkeln lebtet, ward ihr einsam, allein, verzweifelt, euer Leben hatte keinen Sinn mehr. Es waren falsche Hirten, die euch so weit gebracht haben und euer Herz mit Leere und Misstrauen gefüllt haben. Sie fördern das Konsumdenken auf jede denkbare Weise und ziehen die Massen an. Was tut Jesus, als er die Menge sieht, er ergriffen ist und Mitleid empfindet? Jesus beklagt sich nicht, er macht nicht das, was heutzutage einige Erwachsene tun, die sagen:“ Es ist nicht mehr so, wie es einmal war“, Jesus verliert nicht den Mut. „Betet“, vor grossen Problemen kniet euch nieder und „betet den Herrn, dass er Arbeiter für sein Reich schickt“. Das ist unsere Mission.

Jesus ruft die zwölf Apostel, aus dem Mitgefühl lässt er durch das Gebet die Mission entstehen. Die Männer und Frauen Gottes, die Mitgefühl haben, gehen auf die Knie, ziehen los, und so entsteht die Mission. So war es auch vor 25 Jahren: das Mitgefühl, das Gott im Herzen von Schwester Elvira gesät hat, ist zum Gebet und dann zur Mission geworden. Ich wünsche mir, dass wir in dieser Eucharistie dem Herrn für all das Mitgefühl danken könnten, das er in den vergangenen 25 Jahren ins Herz der Gemeinschaft gelegt hat: viel Mitleid, viel Liebe, viel Kraft und viel Zärtlichkeit. Viele von euch, oder gar alle von euch wissen das, denn ihr habt es selbst erlebt. Ihr habt erfahren können, dass das Mitgefühl in dieser Gemeinschaft keine Theorie und keine blosse Idee ist: es ist eine Umarmung, es ist Opferbereitschaft, es ist das zusammen weinen können, zusammen etwas aufbauen- aufgrund dieses Mitgefühls seid ihr zu neuem Leben erwacht!

Es ist wunderbar, dass Jesus, als er die Jünger in die Welt schickt, sagt: „Erweckt die Toten zu neuem Leben.“ Fast mit Tränen denke ich daran, wie viele Tote in diesen 25 Jahren zu neuem Leben erwacht sind! „Mein Sohn war tot, doch er ist ins Leben zurückgekehrt“- dieses Gleichniss hat sich dank des Mitgefühls hunderte Male wiederholt und bewahrheitet. Viele von euch stehen wieder auf eigenen Beinen, sind dank des Mitgefühls auferstanden. Lassen wir diese Wunder nicht ohne eine Danksagung vergehen. Möge das Magnificat in diesen Tagen in euren Herzen unaufhörlich erklingen.

All diese Gnade, all diese Wunder sind nicht etwa kleine Dinge; das, was ihr in der Gemeinschaft lebt und erlebt, ist wahrlich nicht unwesentlich! Aus diesem Grund muss der Dank unendlich gross und im Dank Jesus eingebettet sein. Mitgefühl, Gebet, Mission-Jesus hat uns das Leben geschenkt und fordert uns dazu auf, unser Leben zu schenken. Wundervoll ist auch das Wort „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ Dies ist wahrhaftig die Unterzeichnung der Mission. Wenn das Mitgefühl die Quelle der Mission ist, dann ist dieses Wort der Stil der Mission. Die wahre Mission ist die: erkennen, dass wir alles von Gott erhalten. Daraus wächst der Wunsch, alles zu geben. Niemand ist so arm, dass er nichts geben kann.

Jesus kennt keine Maβe: man muss 50, 80….geben. Es ist schön, dass Jesus alles von uns verlangt, und jeder, der Jesus begegnet, wird fähig dazu werden, alles zu geben. Auch derjenige, der glaubt, wenig zu haben: dieses „Wenig“ wird alles! So wird das Leben zu einem wahren Fest, es wird schön und grossartig.

Vor einer Woche haben wir einem grossartigen jungen Mann angedacht, der im Alter von 24 Jahren innerhalb zweier Tage an einem seltenen Virus gestorben ist. Der selig geprochene Pier Giorgio Frassati. Er gehörte dem gehobenen Bürgertum Turins an, und liebte das Leben, die Berge, und vor allem das Gebet, die Eucharistie und die Armen. Er schwamm oft gegen den Strom, besonders in seiner Familie, aber dieser junge Mensch hat alles gegeben. Manchmal schenkte er seinen Busfahrschein einem Armen, der schlecht laufen konnte, und rannte selbst zur Universität. In seinem spirituellen Tagebuch hat er diesen Satz geschrieben: „Ich will leben, nicht mit dem Leben spielen“. Das Leben wird wahr, wenn es ganz geschenkt wird.

“Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.” Möge das diesjährige Fest wahrhaftig ein Dank sein, ein Magnificat. Und mögen alle mit dem Willen nach Hause zurückkehren, mehr geben zu wollen, mit mehr Liebe, und alles geben zu wollen.

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